Lange war Stahl in der High-End-Rahmenproduktion vollkommen verpönt. Ein Fahrradrahmen aus Stahl galt als schwer, billig und minderwertig. Spätestens als der Werkstoff Stahl Ende der 90er und in den frühen 2000er an jedem Discounter-Fahrrad zu finden war, war der Charme eines Stahlrahmens verflogen. Um ehrlich zu sein, vollkommen grundlos!
Nostalgisch erinnern wir uns an all die Klassiker zurück, von renommierten Altmeistern des Rahmenbaus, die für die absoluten Top-Athleten Rahmen für Paris-Roubaix, den Giro oder nicht zu vergessen, die Tour de France gefertigt haben. 1994 wurde der letzte Tour-Sieg auf Stahl eingefahren, um kurz darauf von Aluminium abgelöst zu werden. Aber der Trend von Aluminium konnte sich nicht durchsetzen, sodass schon 1998 Carbon das Material der ersten Wahl bei Rennrädern wurde.
Stahl, Alu, Carbon und Titan – Rahmenmaterialien im Überblick (auf Holz, Bambus und weitere nachhaltige Rohstoffe gehen wir hier nicht ein)
Aber warum ist Stahl als Werkstoff für Fahrradrahmen eines Tages fast komplett von der Bildfläche verschwunden? Lag es nur an den Nachteilen wie der Anfälligkeit für Korrosion oder dem relativ hohen Gewicht? Oder lag es daran, dass sie zu robust und zu langlebig für die Fahrradindustrie waren? Denn was ein Vorteil für den Radfahrer sein kann, kann auch ein Nachteil für den Verkauf von „Volumen“-Fahrradherstellern sein.
Es musste also ein neuer Werkstoff her, um den Verkauf neuer Räder anzukurbeln. Und so kam Aluminium als „das” neue und revolutionäre Material um die „Ecke”. Aluminium ist leichter und unempfindlich gegenüber Korrosion und erschien mit seinen dickeren Rohren und großen Schweißschuppen neu und ungesehen. Das ließ sich zunächst auch gut vermarkten und Alurahmen waren plötzlich voll im Trend.
Später hat sich dann im High-End-Segment Carbon durchgesetzt und Titan hatte stets ein Nischendasein für Fahrradliebhaber & Enthusiasten gehabt. Das hat sich bis heute kaum geändert. Nun genießt Stahl auch seit einiger Zeit wieder bei Gravelbikes ein Comeback und es zeichnet sich ab, dass viele diese Vorzüge wieder zu schätzen wissen und Stahl einen ähnlichen Status wie Titan in der Fahrrad-Szene erlebt.
Hochwertig und fein verarbeitet, mit einer ordentlichen Portion Geschichte. Diese Kombination mit modernen Rahmengeometrien ergibt ein überzeugend gutes Fahrerlebnis mit einem deutlich spürbaren Unterschied zu anderen Materialien.
Grenzen und Kompromisse von Stahlrahmen
Obwohl Stahlrahmen wie bereits erwähnt viele Vorteile gegenüber anderen Materialien bei Gravelbikes haben, gibt es wenige Kompromisse, die man bei der Wahl eines Stahlrahmens eingehen muss.
Gewicht:
Ein wichtiger Faktor dabei ist das Gewicht. Während hochwertige Stahlrahmen dank spezieller Rohre relativ leicht ausfallen, sind sie in der Regel immer noch etwas schwerer als vergleichbare Carbon- oder Titanrahmen.
Interessanterweise aber selten schwerer als Fahrradrahmen aus Aluminium. Alurahmen mit einer minderwertigen Legierung sind oftmals sogar deutlich schwerer als hochwertige Stahlrahmen.
Doch der Gewichtsunterschied ist nicht für jeden Radfahrer entscheidend. Dieser meist minimale Gewichtsunterschied spielt primär dann eine Rolle, wenn man ein Fahrrad sucht, das für den Rennsport oder andere Aktivitäten verwendet werden soll, bei denen das Gewicht eine übergeordnete Rolle spielt.
Es gibt jedoch spezialisierte Hersteller wie wir von der Manufaktur 83, die sich auf leichte und stabile Stahlrahmen für den Gravelbike-Einsatz spezialisiert haben. Ein Paradebeispiel dafür ist unser Vagabund Iron Feather, das um die 7,9 kg wiegt.
Das Vagabund Iron Feather wiegt in seiner leichtesten Konfiguration gerade einmal 7,85 kg und ist damit das leichteste Stahlgravelbike, das zurzeit ab Werk zu kaufen ist.
Steifigkeit:
“Wer die Nacht liebt, darf sich über die Dunkelheit nicht beschweren”. Soll heißen, dass ein komfortabler Rahmen per Definition nach nicht steif sein muss, ohne großen technischen Aufwand zu betreiben. Im Vergleich zu Aluminium- und Carbonrahmen sind Stahlrahmen in der Regel weniger steif, was aber auch einen erheblichen Vorteil in der Langlebigkeit mit sich bringt (mehr dazu hier). Eine Ausnahme und ähnlich flexende Rahmen sind äußerst hochwertige, mit Fasermatten hergestellte Carbonrahmen.
Eine zu starke, auf Komfort optimierte Geometrie, kann dazu führen, dass das Fahrrad auf schnellen Abfahrten oder in Kurven etwas weniger präzise und reaktionsschnell ist. Es gibt jedoch hochwertige Stahlrahmen, die speziell für hohe Steifigkeit ausgelegt sind. So kann man beispielsweise über die Wahl der Rohrform maßgeblich die Steifigkeit eines Gravelbikes beeinflussen.
So fällt der Hinterbau mit ovalen Rohren etwas steifer aus, als beispielsweise mit runden Rohren. Weiteren Faktoren sind Biegungen oder Querstreben am Hinterbau durch die man ein ausgewogenes Verhältniss zwischen Nachgiebigkeit und Steifigkeit beeinflussen kann. Am Ende auch das zulässige Gesamtgewicht.
Dank der ovalen-Rohre, der S-Biegung am Hinterbau sowie der kleinen Querstreben haben die Stahl-Gravelbikes von M83 ein ideal ausgewogenes Verhältnis zwischen Steifigkeit und Dämpfungseigenschaft / Komfort.
Korrosion:
Wie allgemein bekannt ist, können Stahlrahmen auch anfälliger für Korrosion sein. Wenn der Rahmen nicht ordnungsgemäß gepflegt oder regelmäßig extremen Bedingungen ausgesetzt ist, kann er rosten oder korrodieren. Dies kann die Lebensdauer des Rahmens beeinträchtigen. Leichter Flugrost, der sich über Lackabplatzer durch Stein- oder Kettenschlag verbreitet, ist weniger ein Problem.
Dank unserer besonders schlagfesten M83-Lackierung und von innen gewachsten Rohren wird der Korrosionsschutz deutlich erhöht. Dadurch können wir diesen wunderschönen RAW-Look umsetzen.
Aus den genannten Gründen werden Stahlrahmen aber vorzugsweise pulverbeschichtet. Diese Art der Lackierung hat gegenüber einer Nasslackierung den Vorteil, dass sie strapazierfähiger, aber im Verhältnis auch schwerer ist.
Insgesamt muss man also bei der Wahl eines Stahlrahmens wie bei allen anderen Materialien auch Kompromisse in Bezug auf Gewicht, Steifigkeit und Korrosionsbeständigkeit (Carbon und Titan ausgenommen) eingehen.
Es gibt für all diese Punkte zwar Lösungs- und Verbesserungsansätze, die jedoch nicht die natürlichen Eigenschaften eines Materials aufwiegen. Wenn diese Faktoren jedoch nicht von entscheidender Bedeutung sind, ist ein Stahlrahmen die erste Wahl, der viele Vorteile bietet.
Beim M83 VAGABUND IRON wurde besonders viel Aufwand in die Entwicklung einer möglichst schlagfesten Nasslackierung betrieben.
VORTEILE EINES STAHLRAHMENS
Warum ist Stahl trotz all der Kompromisse nun doch für viele Radfahrer und vor allem im Segment von Gravelbikes der überzeugendste Werkstoff?
Ganz einfach, Stahl hat im Rahmenbau erhebliche Vorteile gegenüber Aluminium, Carbon und Titan.
Haltbarkeit und Festigkeit:
Wie bereits erwähnt, sind Stahlrahmen bekannt für ihre Langlebigkeit und Festigkeit. Im Vergleich zu Aluminiumrahmen sind sie weniger anfällig für Ermüdungsbrüche und Verformungen. Titanrahmen sind zwar ebenfalls robust, aber im Falle eines Schadens nur durch Experten wiederherstellbar und sie müssen unter hohem Aufwand instand gesetzt werden. Dabei sind Stahlrahmen meist nicht schwerer als Aluminiumrahmen und können weltweit bei fast jedem Schweißer repariert werden.
Rahmen aus Titan und Aluminium müssen mehr Material aufwenden, um dieselbe Festigkeit wie Stahl zu erreichen. Das lässt sich gut erkennen, wenn man den Querschnitt von Stahl-, Titan- und Aluminiumrohren im Vergleich sieht. So kommt es zustande das Aluminiumrahmen trotz der Tatsache, dass Aluminium leichter ist, als Gravelbike-Rahmen meist genauso schwer oder gar schwerer als ein Stahlrahmen ist und teilweise nur wenige Gramm schwerer als ein Gravelbike-Rahmen aus Titan. Dabei ist Stahl auch noch viel widerstandsfähiger gegen Stöße und Erschütterungen.
Damit die Gravelbike-Rahmen eine vergleichbares Festigkeit erreichen, müssen sie auf verschiedene Materialstärken zurückgreifen, was das Gewichtsersparnis teilweise wider relativiert.
Fahrkomfort:
Stahlrahmen sind auch für ihren Komfort bekannt. Stahl absorbiert Vibrationen besser als Aluminium und Titan, was zu einem ruhigeren Fahrgefühl führt. Da das Gravelbike tendenziell für längeren Strecken ausgelegt ist, kommt dem Rahmen eines Gravelbikes diese Eigenschaft von Stahl zugute. Ein Grund mehr, warum Langstreckenfahrer und Bikepacking-Enthusiasten tendenziell auf Stahl zurückgreifen, statt auf gängigere Alternativen.
Wartungsfreundlichkeit:
Im Vergleich zu Titanrahmen sind Stahlrahmen auch preiswerter und leichter zu reparieren, falls es zu Beschädigungen kommt. Diesen Vorteil weiß man vor allem als Globetrotter zu schätzen. Titan muss in einem sterilen Umfeld geschweißt werden, da es extrem empfindlich auf Verunreinigungen reagiert. Stahl hingegen kann man nahezu überall auf der Welt in jeder Metallwerkstatt wieder schweißen oder reparieren und bedarf keinen besonderen Schweiß Fachkenntnisse wie bei Aluminium oder Titan.
Vielseitigkeit:
Stahlrahmen sind auch sehr vielseitig in Bezug auf Design und Herstellung. Sie können in fast jeder Form und Größe hergestellt werden, was sie ideal für Über- oder Untergrößen macht. Ebenso können Stahlrahmen leicht mit anderen Materialien wie Carbon und Aluminium kombiniert werden, um die Vorteile verschiedener Materialien zu nutzen.
Nachhaltigkeit:
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Wahl eines Stahlrahmens ist die Nachhaltigkeit. Im Vergleich zu Aluminium- und Titanrahmen kann Stahl als nachhaltiger angesehen werden, da es ein langlebiges und recycelbares Material ist. Daher ist es auch entscheidend, darauf zu achten, wo die verwendeten Stahlrohre herkommen, um unnötig viel CO₂ zu verursachen.
Die bekanntesten Hersteller und deren Produktionsstandorte sind:
- Reynolds – ein britisches Unternehmen, das hochwertige Fahrradrohre aus Stahl produziert. Die Rohre werden in Birmingham, England, produziert und von dort ausgeliefert.
- Columbus – ein italienisches Unternehmen, das seit den 1920er-Jahren Fahrradrohre herstellt. Die Rohre werden in Settala, Italien, produziert.
- Tange – ein japanischer Hersteller von Fahrradrohren aus Stahl. Die Rohre werden in Japan produziert.
- Dedacciai – ebenfalls ein italienisches Unternehmen, das Fahrradrohre aus Stahl und anderen Materialien produziert. Die Rohre werden in Italien produziert.
- Kaisei – ist ein weiteres japanisches Unternehmen, das sich auf die Produktion von Fahrradrohren spezialisiert hat. Die Rohre werden in Japan produziert.
Wir, bei der Manufaktur 83, verarbeiten für unsere Stahlräder die Columbus-Zona-Rohre, die einen hervorragenden Ruf in der Branche genießen und für uns den besten Kompromiss aus Stabilität, Komfort und Gewicht bieten.
Beschichtung & Optik:
Wer sich für Stahl entscheidet, entscheidet sich in 98 % aller Fälle für eine Farbbeschichtung. Aufgrund der günstigen und aufwandsarmen Durchführung wird hier eine Pulverbeschichtung bevorzugt. Pulver hat den Vorteil, dass es besonders resistent gegen Schläge ist, aber den Nachteil im Gegensatz zu einer Nasslackierung weder transparent genutzt werden kann und auch wiederum schwerer ist.
Nur in seltenen Fällen, wie beispielsweise bei uns, kann man Rahmen ab Werk mit einer Klarlack-Beschichtung erhalten, sodass man den blanken Stahl und die Hitzeverfärbungen an den Schweißnähten sieht.
Aber warum ist das so? Nun, dazu muss man eine kurze Exkursion in den Beschichtungsprozess durchführen. Blanker Stahl fängt schnell an leichten Flugrost anzusetzen und um den nicht aufwendig per Hand abschleifen, werden Stahlrahmen einfach, nach dem der Schweißprozess abgeschlossen ist, Sandgestrahlt und somit von Verunreinigungen und Hitzeverfärbungen entfernt und direkt darauf grundiert.
Diese Optik ist nicht besonders ästhetisch, aber durchaus praktisch, sodass man sie Kostenorientiert direkt daraufhin mit einem Sichtschutzlack lackiert.
Dass die Lackierung nahezu nie transparent ist, hat aber noch einen weiteren Grund. Wie bereit im Kapitel der Korrosion erwähnt, wird der Rahmen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hier und da Lackschäden bekommen und das hat zur Folge, dass Feuchtigkeit unter dem Lack unbedenkliche, aber für die meisten unästhetische optische Makel hinterlässt.
Nachdem die Rahmen geschweißt wurden, haben sie in der Regel Flugrost angesetzt. Dieser kann mit Schleifpapier oder mit Hilfe des Sandstrahlen entfernt werden, wodurch auch die optisch ansprechenden Hitzeverfärbungen abgetragen werden. Unsere Rahmen werden nach dem Schweißen direkt mit einem Ölnebel versiegelt, der erst kurz vor der Lackierung entfernt wird geliefert. Dadurch können wir die schönen Hitzeverfärbungen beibehalten und haben keinen Aufwand, Flugrost entfernen zu müssen.
Wir bei der Manufaktur 83 sind uns über diesen Aufwand im Klaren und schützen deshalb bestmöglich die besonders gefährdeten Stellen, um unseren Kunden die einzigartige Rohstahloptik mit Hitzeverfärbungen zu bieten, die so auch von keinem anderen Rahmenmaterial erzeugt werden kann.
Stahlrahmen in Rohoptik sind aufgrund des hohen Aufwands sehr selten.
Vor- und Nachteile im Überblick
Vorteile | Nachteile |
Stahl:
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Stahl:
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Carbon:
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Carbon
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Titan:
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Titan:
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Aluminium:
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Aluminium:
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FAZIT
Ist ein Stahl-Gravelbike das Richtige für mich? Ein klares Ja, wenn du einen Allrounder suchst und nicht alle paar Jahre ein neues Rad kaufen möchtest, sondern einen fahrbaren Untersatz für die nächsten Jahrzehnte haben möchtest. Wenn dir Fahrkomfort und Langlebigkeit wichtig sind und/oder du ein Material an deinem Fahrrad haben möchtest, das du im schlimmsten Fall überall auf der Welt reparieren lassen kannst.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Stahlrahmen im Fahrradbau viele Vorteile bieten, wie Haltbarkeit, Vielseitigkeit, Komfort und individuelle Anpassbarkeit. Obwohl Stahlrahmen im Vergleich zu Alurahmen und Titanrahmen oft als schwerer angesehen werden, gibt es hochwertige Stahlrahmen, die leicht wie Aluminiumrahmen sein können.
Wenn du mehr erfahren möchtest, zögere nicht, dich an uns zu wenden und dich umfassend beraten zu lassen.